Arbeit und Islam nicht vereinbar?
Arbeit und Islam nicht vereinbar?

Im Bewerbungsratgeber «Erfolgreich bewerben mit Migrationshintergrund», der in allen Arbeitsämtern in Deutschland aufliegt, wurde muslimischen Frauen empfohlen, den Hijab abzunehmen. Diese Textpassage muss nun geändert werden.

(ni) Diskriminierung wegen der religiösen Praxis ist in der Schweiz wie auch in Deutschland gesetzlich verboten. Doch wer auf dem Bewerbungsbild oder zum Bewerbungsgespräch einen Hijab trägt, für die sinken die Chancen auf eine Anstellung oder einen Ausbildungsplatz.

So wird in dem deutschen Bewerbungsratgeber «Erfolgreich bewerben mit Migrationshintergrund», welcher in Zusammenarbeit mit dem Migrationsbeauftragten Hasan Altund erstellt wurde, den Frauen mit einem muslimischen Hintergrund nahegelegt, «sich immer ohne Hijab zu bewerben und auch die Ausbildung ohne einen solchen zu absolvieren».

Hijab ist von Kleidungsvorschriften ausgenommen

Das Aktionsbündnis muslimischer Frauen (AmF) wurde auf diese Passage aufmerksam und wandte sich umgehend an die Antidiskriminierungsstelle. Diese legte Beschwerde ein mit der Begründung, dass jedem Bürger das Recht auf freie Religionsausübung gewährleistet werden muss.

Dabei stützten sie sich in ihrer Argumentation auch auf den Fall einer jungen Muslimin, deren Bewerbung als Zahnarzthelferin abgewiesen wurde mit der Begründung, dass ihr Hijab nicht den Kleidungsvorschriften der Arztpraxis entspreche. Das Berliner Arbeitsgericht entschied im März 2012, dass dieser Ablehnung eine Diskriminierung auf Grund der religiösen Praxis zu Grunde liege. Es zähle zur unternehmerischen Freiheit, individuelle Kleiderordnungen einzuführen, jedoch dürfen diese nicht im Konflikt mit dem deutschen Grundrecht stehen. (Ganzes Urteil https://openjur.de/u/547890.html#)

Beschwerde gutgeheissen

Nun bestätigt Gabriele Boos-Niazy vom Aktionsbündnis muslimischer Frauen, dass der Beschwerde entsprochen wurde. Die umstrittene Stelle im Bewerbungsratgeber muss geändert werden. Boos-Niazy freut sich über den Entscheid, denn die Empfehlung förderte bei den Arbeitgebern die Erwartungshaltung, dass Frauen auf ihr Grundrecht auf freie Religionsausübung verzichten sollen. «Viele Kopftuchträgerinnen berichten uns, dass sie Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt haben, Bewerbungen trotz guter Qualifikation oft erfolglos bleiben. Die Bewerberinnen oder Arbeitnehmerinnen darauf hinzuweisen, das Kopftuch abzunehmen, ist nicht der richtige Ansatz», schildert das Vorstandsmitglied die Problematik.

Die Agentur für Arbeit Essen, welche die Broschüre in Auftrag gegeben hatte, meinte zur Beschwerde, dass die monierte Textpassage «in einem sehr missverständlichen Kontext» wiedergegeben worden wäre. Pressesprecherin Börries erklärt: «Wir haben die Autoren gebeten, die missverständlichen Passagen abzuändern.»

Muslimische Frauen in der Schweiz sind derselben Diskriminierung ausgesetzt. Obwohl die freie Religionsübung auch in der Schweiz gesetzlich verankert ist und viele Musliminnen sich auf Stellen bewerben, für die sie überqualifiziert sind, verwenden Arbeitgeber Scheinargumente, um keine Arbeitnehmerin mit Hijab einstellen zu müssen.

Dem Islamischen Zentralrat Schweiz (IZRS) sind mehrere Fälle bekannt, in denen die Ausbildung abgebrochen werden musste oder die Arbeitsstelle auf Grund des Hijabs gekündigt wurde. Der Islamische Zentralrat ist bereit in solchen Fällen mit den Frauen gemeinsam rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen.

Quelle: Deutsch Türkisches Journal, Erfolgreiche Beschwerde des Aktionsbündnisses muslimischer Frauen, 12.03.2013.

 

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